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Unternehmertum

Unternehmerische Resilienz: Stabil durch stürmische Zeiten

Resilienz wird zum Schlüsselbegriff in einer Welt, die sich rasant verändert. Wie kann man sie im eigenen Unternehmen stärken, um Krisen, Umbrüchen und Dauerstress besser zu trotzen? Das verrät Matthias Prammer, Geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung „Die Umsetzer“, im großen Interview.

Lieber Herr Prammer, warum erfährt der Begriff Resilienz – ob psychologisch oder unternehmerisch – aktuell einen so starken Aufwind?

Matthias Prammer: Wir in Mitteleuropa haben gelernt, Geschichte als eine Abfolge von Best-Case-Szenarien zu sehen. Dieses Weltbild, dass alles schon irgendwie von selbst gut werden wird, ist ins Wanken geraten. Die Coronapandemie war eine erste größere Zäsur. Krieg, die schlechter werdenden transatlantischen Beziehungen und die allgemeine negative Stimmungslage haben spürbare Auswirkungen – alles Faktoren, die man selbst kaum bis gar nicht beeinflussen kann. Und je massiver die Krise ist, umso größer ist auch der Wunsch, nicht Spielball dieser Umstände zu sein. Aber dagegen kann man einiges unternehmen.

Was macht ein resilientes Unternehmen aus?

Ein resilientes Unternehmen ist eines, das Ausschläge nach unten und oben gut verkraftet. Flexibel zu sein, ist eine wichtige Eigenschaft, aber das allein reicht nicht. Das Ziel ist, Dinge nicht nur zu überstehen, sondern sich sogar in rauen Zeiten die eigene Gestaltungsfähigkeit zu erhalten. Ich möchte ja nicht immer nur reagieren und Trends bzw. Entwicklungen hinterherhetzen, sondern ich möchte selbst agieren können und spüren, dass ich etwas bewirken kann. Resilienz ist also auch eine Frage des Mindsets. Der oder die erfolgreiche
Unternehmer:in sagt sich, was Strandverkäufer: innen auf der ganzen Welt sagen – die stehen auch nicht immer an derselben Stelle: „If business doesn’t come, I have to go and find business.“ Und das ist genau der Punkt. Wir müssen die aktuelle Stimmung aushalten, die Extrameile gehen und an unsere eigene Selbstwirksamkeit glauben. Im Großen wie im Kleinen. 

Zwei Rückfragen dazu: Was meinen Sie mit „Ausschlägen nach oben“ und wie bleibe ich flexibel und gestaltungsfähig?

Lassen Sie mich ein Beispiel geben: Während der Coronapandemie gab es Unternehmen, die extrem von der Situation profitiert haben und blitzschnell gewachsen sind. Als Unternehmer:in stehe ich dann vor einer sehr wichtigen Entscheidung: Stelle ich über einen kurzen Zeitraum sehr viele neue Leute ein? Oder lease ich mir vielleicht erst mal einige Arbeitskräfte? Es ist klug, die Weichen so zu stellen, dass ich nicht weniger, sondern mehr Optionen habe. Viele haben sich für die erste Variante entschieden und mussten dann viele Mitarbeiter:innen wieder kündigen. Zu schnelles Wachstum kann ein Unternehmen ebenfalls in die Knie zwingen.
 

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Risikomanagement gezielt einsetzen

Ein wirksames Risikomanagement konzentriert sich auf jene Gefahren, die das Unternehmen substanziell beeinträchtigen könnten – etwa Abhängigkeiten von einzelnen Großkunden, Rohstoffpreisschwankungen oder technologische Umbrüche. Wichtig ist, Risiken nicht nur zu identifizieren, sondern regelmäßig neu zu bewerten, denn Märkte, Geschäftsmodelle und regulatorische Rahmenbedingungen ändern sich stetig. Unternehmen sollten realistische Szenarien durchspielen und daraus präventive Maßnahmen ableiten. Gleichzeitig gilt es, das richtige Maß zu finden. Denken Sie wie bei Versicherungen: Nicht jedes Risiko kann ausgeschlossen werden, aber die großen Gefahren müssen abgesichert sein.

Wie erkenne ich denn, ob mein Unternehmen resilient genug ist? Gibt es Frühwarnsignale, falls das nicht der Fall ist?

Jedes Unternehmen sollte eine Art „Verfassung“ mit seinen Werten haben, wie ja ein Rechtsstaat auch eine Verfassung hat. Die bleibt gleich und ist stabil. Gleichzeitig braucht es aber flexible Regelwerke, die sich situativ anpassen lassen. Wenn ich immer wieder an alten Regeln und Strukturen festhalten muss, obwohl sie nicht mehr passen, wird’s schwierig. Genauso, wenn man sich auf etwas ausruht, weil es „schon immer so war“ und bis heute gut funktioniert hat. Wenn ich Zulieferer für Verbrennerteile bin und jetzt gute Umsätze habe, ist das schön. Ich muss aber darauf vorbereitet sein, dass das in fünf Jahren wahrscheinlich nicht mehr der Fall ist.

Gibt es konkrete Kennzahlen, an denen sich Resilienz messen lässt?

Indirekt. Die ungewollte Fluktuation von Mitarbeiter:innen kann z. B. ein Indikator sein. Oder die Zahl der Überstunden, die auf eine Dauerbelastung hinweist. Wichtig ist auch die Zahl der Kund:innen, die man an die Konkurrenz verliert. Umsatz alleine ist es jedenfalls nicht. Man muss hier immer auch bewerten, wann und woher er kommt. Ein stabiler Umsatz in schwierigen Zeiten ist jedenfalls ein gutes Zeichen für Resilienz.

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Cashflow vorausschauend steuern

Die Steuerung des Cashflows ist ein zentraler Bestandteil finanzieller Resilienz. Unternehmen sollten regelmäßig analysieren, wie sich Ein- und Auszahlungen entwickeln und wie viel Liquidität zur Verfügung steht. Kurze Zahlungsziele bei Kund:innen, große Lagerbestände oder starkes Wachstum können den Cashflow ebenso belasten wie fehlende Alternativen in der Finanzierung. Leasing statt Kauf kann etwa helfen, Kapitalbindung zu reduzieren. Wichtig ist eine rollierende Liquiditätsplanung mit monatlichen Soll-Ist-Vergleichen. So lassen sich Engpässe frühzeitig erkennen und man kann gezielt gegensteuern. Auch die Struktur der Verbindlichkeiten und Forderungen sollte regelmäßig geprüft werden. Eine solide Cashflow-Steuerung stärkt die unternehmerische Handlungsfähigkeit – und ist besonders in volatilen Zeiten ein wichtiger Erfolgsfaktor für kleine und mittlere Unternehmen.

Sie haben davon gesprochen, dass Resilienz auch Anpassungsfähigkeit erfordert. Das setzt den Willen zur Veränderung voraus und ist speziell in Österreich ja eher schwierig.

Das ist wirklich ein großer Brocken. Vieles, was uns in Österreich ausmacht, ist sehr hilfreich, etwa das Qualitätsbewusstsein oder der Umgang mit Menschen. Manches ist aber problematisch. Wir schützen Strukturen oft sehr lange, indem wir viel Geld „draufwerfen“. Dadurch entwickeln wir uns aber nicht weiter und blockieren dringend notwendige Veränderungen. Auf unternehmerischer Ebene bedeutet das: Ich brauche Klarheit über meine Investitionen. Was zahlt auf meine Zukunft ein und was auf meine Vergangenheit? Wenn es nur die Vergangenheit ist, muss ich mich ernsthaft fragen, warum ich noch daran festhalte.

Die Gewohnheit ist also einer der großen Feinde der Resilienz?

Ja! Und mit denen müssen wir aufräumen. Ich mag das Bild der Kettensäge ganz und gar nicht. Ausmisten passt besser. Es geht darum, zu bewahren, was uns erfüllt und was uns stark macht, aber eben auch gehen zu lassen, was nur mehr Ballast ist. So schaffen wir Freiräume für das Neue. Und genau das ist wichtig, wenn wir resilienter werden wollen.

Was gibt ihnen persönlich Hoffnung in turbulenten Zeiten?

Vieles! Die Menschen, die nächste Generation. Die Kraft des Dialogs. Ich liebe es, wenn unterschiedliche Menschen gemeinsam an einem Thema arbeiten, sich tief hineinfuchsen, Dinge auseinandernehmen und neu denken. Das kreative Ringen um die besten Ideen – daraus entstehen oft die besten Lösungen. Diese kollektive Gestaltungskraft ist für mich die Superpower der Stunde. Wir sollten nicht darauf warten, dass es andere für uns richten, sondern selber machen! Solange es Menschen gibt, die das kultivieren, bleibe ich optimistisch!

Und so schließt sich der Kreis mit der Selbstwirksamkeit. Herr Prammer, besten Dank für das Gespräch!


Matthias Prammer © Julia Dragosits
Matthias Prammer ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung „Die Umsetzer“ und seit über 20 Jahren in der strategischen Topmanagement-Beratung tätig. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Change Management, Strategieumsetzung und Transformation – sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. „Die Umsetzer“ sind mit Standorten in Wien und München vertreten.

Bildcredits: © photoschmidt | stock.adobe.com (Header), © Julia Dragosits (Portrait Matthias Prammer)