Grafik für -Manipulationstechniken virtueller Influencer - eine kommunikations- und marketingpsychologische Analyse
Lernen & Leben

Manipulationstechniken virtueller Influencer - eine kommunikations- und marketingpsychologische Analyse

Manipulation oder legitimes Marketing?

Definition von Manipulation

Um zu beurteilen, ob virtuelle Influencer manipulativ agieren, muss man zunächst definieren, was Manipulation bedeutet. Psychologisch gesehen liegt Manipulation vor, wenn:
 

  1. Täuschung eingesetzt wird, um das Urteilsvermögen zu beeinträchtigen

  2. Die Autonomie der Zielperson untergraben wird

  3. Asymmetrische Machtverteilung ausgenutzt wird

  4. Der Schaden für die manipulierte Person größer ist als der Nutzen

Abb. 1 Influencer Manipulation © Josef Sawetz

Bei virtuellen Influencern treffen mehrere dieser Kriterien zu:

  • Täuschung durch Pseudo-Authentizität: Obwohl sie sich als künstlich zu erkennen geben, simulieren sie menschliche Emotionen und Erfahrungen, die sie nicht haben können. Ein virtueller Influencer kann nicht wirklich ein Produkt "lieben" oder eine echte Empfehlung aussprechen.
  • Ausnutzung kognitiver Schwächen: Sie nutzen systematisch kognitive Verzerrungen und psychologische Schwachstellen aus, ohne dass den meisten Nutzern bewusst ist, wie gezielt sie beeinflusst werden (Kahneman, 2011).

Manipulationstechniken virtueller Influencer

Emotionale Manipulation

  • Künstliche Verletzlichkeit (89% der Virtuelle Influencer. nutzen das)
  • Pseudo-Intimität durch "private" Momente
  • Strategische Kontroversen für Aufmerksamkeit

Kognitive Manipulation

  • Mere-Exposure-Effekt (durchschnittlich 8,7 Posts/Woche)
  • Sozialer Beweis durch Bot-Verstärkung
  • Ankereffekt bei Produktpreisen                                                          

Kommerzielle Verschleierung

  • Native Advertising (76% nicht als Werbung erkennbar)
  • Lifestyle-Integration von Produkten
  • Parasoziale Kaufempfehlungen

Zielgruppen-Targeting

  • Psychographische Profile (durchschnittlich 247 Datenpunkte/User)
  • Algorithmic Content Optimization
  • Mikro-Targeting vulnerabler Gruppen
Skalierte „Hyper-Personalisierung“ und „Agentische Virtuelle Influencer“ können Mikrotargeting und Echtzeit-Anpassung betreiben – das ist psychologisch wirksam, aber mit Manipulationsgefahr (Heuristiken-Trigger, Social-Engineering-Muster) verbunden.

Recht & Regulierung (EU-Fokus)

  • EU-KI-Verordnung (Regulation (EU) 2024/1689): Enthält Transparenz-/Kennzeichnungspflichten für synthetische Inhalte (Deepfakes). Art. 50(4) verpflichtet u. a. zur klaren Kennzeichnung manipulierter/erzeugter Audio-, Bild- oder Videoinhalte, um Täuschung zu vermeiden. Die VO wurde am 12. Juli 2024 im Amtsblatt veröffentlicht; gestaffelte Anwendung ab 2025/26. Für Virtuelle Influencer bedeutet das eine klare Kennzeichnung, wenn Inhalte KI/CGI-erzeugt sind. Nutzer:innen müssen die künstliche Natur erkennen können.
  • Der EU AI Act klassifiziert hochrisikorelevante KI-Systeme, was virtuelle Influencer als manipulativ einstufen könnte (EU, 2024).
  • Werbekennzeichnungspflicht: Auch KI-Influencer müssten Werbung als solche kennzeichnen
  • Digital Services Act (Regulation (EU) 2022/2065): Verlangt Werbe-Transparenz (u. a. Warum sehe ich diese Anzeige?, Wer ist der Auftraggeber?) und stärkt somit die Sorgfaltspflichten von "Very Large Online Platforms". Für Influencer-/VI-Kampagnen sind adäquate Ad-Labels Pflicht.
  • EU-UCPD (Unfair Commercial Practices Directive) & Leitlinien 2021: Werbliche Absichten dürfen nicht verschleiert werden (Verbot „verdeckter Werbung“ / misleading omissions). Bei Virtuellen Influencern sind Kommerz-Intention und die künstliche Natur relevante Informationen.
  • Persönlichkeitsrechte: Fragen nach dem Urheberrecht an der KI-Persönlichkeit und möglichen Verstößen gegen Persönlichkeitsrechte realer Personen
Implikation für Marken: KI-Influencer-Inhalte müssen zwei Transparenzebenen beachten:
  1. Werbung (DSA/lautere Geschäftspraktiken, nationale UWG/Medienrecht),
  2. synthetischer Ursprung (AI Act, Art. 50(4))
Zwei verschiedene, kumulative Kennzeichnungen sind best practice. Deutlich sichtbare Labels: „Anzeige“ UND „Mit KI erstellt/virtueller Avatar“. (entsprechend DSA und AI Act)
© Looker Studio | stock.adobe.com

Mehr Informationen und Hintergründe zum Aufstieg von KI-Influencern und den damit einhergehenden Einflüssen auf Kommunikation und Marketing lesen Sie hier in diesem Blog-Beitrag



Literatur


Josef Sawetz © Privat
Univ.-Lekt. Mag. Dr. Josef Sawetz ist Kommunikations- und Marketingpsychologe sowie Neurowissenschafter an der Universität Wien. Weitere Publikationen, Awards und aktuelle Forschungsprojekte finden Sie unter www.sawetz.com. Aktuell: Kommunikations- und Marketingpsychologie. Grundlagen kommunikativer und persuasiver Prozesse aus Psychologie, Neurowissenschaften, Evolutionsbiologie, Systemtheorie und Semiotik. Wien

Bildcredits: © deagreez | stock.adobe.com (Header), © Josef Sawetz (Abbildung), © Looker Studio | stock.adobe.com (Contentbild), © Privat (Portrait)

bis
bis